Weinreifung - der Ratgeber
Quicklinks:
- Wein altern oder jung trinken?
- Wein ist nicht gleich Wein
- Die Lüge mit der Weintraube
- Die Lüge vom Chateau Muton Fantasia
- Den Weizen von der Spreu trennen
- Die verschiedenen Alterungsphasen
- Welche Weine sind lagerfähig und wie lange?
- Lagern, aber wie?
1. Wein altern oder jung trinken?
Es herrscht kaum über ein Thema so viel Verwirrung, wie darüber, wie Wein am besten gealtert und gelagert werden soll, ob dies überhaupt notwendig sei, und falls ja, wann und wie lange.
Öfters hört man, dass modern fermentierter Wein zumeist jung getrunken werden soll. Und, das überdies der Grossteil der Weine ohnehin nicht lagerfähig seien.
Auf der anderen Seite hört man, wie wichtig es sei, den Wein während Jahren unter idealem Klima zu lagern, damit er sich zur optimalen Trinkreife entwickeln kann, bevor man ihn trinkt.
Was trifft nun zu?
Bevor wir uns mit dem Thema weiter beschäftigen, sollten wir klären, was wir unter Wein verstehen.
2. Wein ist nicht gleich Wein
2.1 Die Lüge mit der Weintraube
Wein ist nicht einfach gepresster Fruchtsaft, sondern eine komplexe Verkettung von Produktionstechniken sowie bewusst gesteuerten chemischen Prozessen. Dies kann sehr unterschiedlich erfolgen: durch sorgsame, nachhaltige, zur Perfektion entwickelte Verarbeitung von Trauben, oder aber mittels industrieller Massenproduktion.
Nun ist es leider eine Tatsache, dass in der heutigen Zeit, wo von Ökonomen Riesenmengen (nicht nur Wein) in kürzester Zeit auf den Markt geworfen und abverkauft werden müssen, tatsächlich Wein produziert wird, der, sobald in der Flasche, gut zum ‘Verzehr’ ist. Ein schreckliches Wort übrigens, dass an dieser Stelle durchaus zutreffend gewählt ist. Man kann solchen Wein kaum geniessen, bestenfalls verzehren. Der Grund für diese Art der Massenproduktion ist, dass die produzierten Mengen rasch abverkauft werden müssen (Umschlagszeit), um zu verhindern, dass viel Kapital in grossen Weinlagern gebunden ist. Ein ökonomisches Gesetz, dass einer nachhaltigen und qualitätsorientierten Weinproduktion diametral entgegen läuft.
Es ist wie mit der Fertigpizza oder dem Big Mac, um nur zwei aus einer Unzahl von ’processed food’ Beispielen herauszupicken. Sie werden in Unmengen produziert, müssen rasch und unkompliziert abgesetzt werden können. Sie sind nie wirklich fein, gesund ohnehin nicht, immerhin essbar. Man kann sich zwar damit ernähren, ein Genuss ist es jedoch nie.
Die überwiegende Menge des global produzierten Weins passt genau in diese ‘processed food’ Kategorie. Es werden Unmengen an zweitklassigem Rohmaterial, Trauben egal welcher Sorte, Qualität und Herkunft, zu Billigstpreisen zusammengekauft und durch Fabriken in riesigen Tanks zu Wein verarbeitet. Dabei werden nebst Zugabe von Zucker und Konservierungsmitteln eine Reihe von synthetischen Aromastoffen zugemischt, was schlussendlich in einem weinähnlichen Etwas resultiert, geschmacklich inspirationslos, aber trinkbar, da nicht zu sauer, nicht zu bitter, nicht zu trocken. Die Chemiker, sie nennen sich Önologen – oder im angelsächsischen Sprachraum ‘winemaker’, haben ihren Job getan. Ein weiteres schreckliches Wort übrigens: ‘winemaker’. Wein, der den Namen ‘Wein’ verdient, wird durch Sonne, Wind, Regen und Terroir ‘gemacht’, nicht durch Winemakers. Die Kelterung sollte sorgfältig und unter minimaler Einflussnahme geschehen, nicht jedoch in der Chemiefabrik. Sie wissen, dass Sie einen solchen ‘processed’ Wein trinken, wenn Sie zwar benennen können, was er ‘nicht’ ist, jedoch nicht, was ihn ausmacht, wonach er riecht und schmeckt. Sie riechen und schmecken kaum etwas von der Traube, dafür eine Vielfalt an chemischen Aromastoffen. Fusel eben.
2.2 Die Lüge vom Chateau Muton Fantasia
In was für Flaschen wird nun solcher Wein abgefüllt? Und was steht auf der Etikette?
Eben nicht nur eine Flasche mit einer Etikette. Und hier beginnt die zweite grosse Lüge.
Es werden aus dem gleichen Tank eine ganze Reihe verschiedener Weine abgefüllt und etikettiert. Jeweils mit einer leicht abweichenden Aromazugabe. Da wird aus einem Tank ein Vino da Tavola für 3€, ein Rosso di Toscana für 5€, ein Castello di Fantasia für 9€ und als ob das nicht genug wäre, so als Gipfel der Frechheit und Verballhornung der Konsumenten noch ein Reserva für 15€ abgefüllt, jeder fein säuberlich mit eigener Etikette. Es werden dafür Fantasienamen, oder bestenfalls Feigenblatt-Weingüter verwendet. Die Labels verschwinden auch oft nach kurzer Zeit wieder und es erscheinen laufend neue.
Kurz gesagt: solcher industriell produzierter Wein war nie gut – und er wird es auch nie mehr. Warum also altern?
Wenn nun ein renommierter Weinautor feststellt, dass 95% der Weine jung getrunken werden sollten, kann man dem nur anfügen: wahrscheinlich sollten über 90% der Weine eigentlich gar nicht getrunken werden. Wasser, Bier oder irgend ein Fruchtsaft wären gesünder und schmackhafter.
2.3 Den Weizen von der Spreu trennen
Wie kann man solchen ‘processed’ Fusel von Wein, welcher auf einem Weingut mit eigenen Reben, eigenem Weinkeller und sorgfältiger Weinverarbeitung hergestellt wurde, unterscheiden?
- Am besten, indem man zum Weingut geht und sich selbst überzeugt. Dies ist natürlich oft nicht möglich
- Die Herkunft kann bei genauem Lesen der Etikette oft schon erahnt werden
- Eine kurze Internet Recherche kann aufschlussreiche Informationen liefern
- Der überwiegende Anteil an Weinen, welche in Warenhäusern (Einkaufsgeschäfte des täglichen Nahrungsbedarfs) verkauft werden, gehören in diese Kategorie der ‘don’t touch’ Weine
Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die restlichen 10% der Weine, die den Namen Wein auch verdient haben und schauen uns an, wie es um diese bestellt ist und worauf man vor dem Genuss achten sollte.
3. Die verschiedenen Alterungsphasen
In der Flasche durchläuft der Wein folgende Phasen:
- Fruchtphase: z.B. frisch, saftig, blumig, fruchtig
- Verschlussphase: z.B. müde, flach, sauer, kantig, bitter
- Reifephase: eine Vielfalt und Harmonie der verschiedenen Geschmacksnoten
- Abbauphase: Geschmacksnoten gehen verloren, oxidative Noten, sauer
Auch ein lagerfähiger Wein kann schon jung durchaus frisch und mit viel Frucht punkten und Freude bereiten. Oft jedoch verschliesst sich ein Wein nach einiger Zeit (dies kann je nach Wein Jahre dauern), bevor er dann in die Reifephase übergeht. Man spricht vom idealen Trinkfenster. Es ist eine Kunst, dieses Trinkfenster, das bei jedem Wein unterschiedlich ist, immer zu treffen. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, mindestens 6, besser 12 Flaschen vom gleichen Wein zu kaufen, so dass man sich über die Jahre an dieses Fenster herantrinken kann – und wenn man dann eine Flasche zum perfekten Zeitpunkt öffnet und geniesst, dann hoffentlich noch einige weitere Flaschen davon im Weinkeller oder Weinkühlschrank liegen hat.
4. Welche Weine sind lagerfähig und wie lange?
Dies variert tatsächlich von Gegend zu Gegend, von einem Weingut zum nächsten, dort je nach Wein unterschiedlich und schlimmer noch, sogar der gleiche Wein variert in seiner Lagerfähigkeit je nach Jahrgang.
Wein wird idealerweise bei einem kompetenten Weinhändler gekauft, welcher auch über die Lagerfähigkeit der gewählten Weine Bescheid weiss.
Hier ein Einschub für Wein-Novizen: Wein vom Weinhändler muss nicht teurer sein, als der vom Warenhaus, und Weinhändler sind darauf spezialisiert, Weinanfänger in die Thematik einzuführen. Überdies kann man beim Weinhändler manche Weine vor dem Kauf testen (degustieren).
Also keine falsche Scheu, bei einem professionellen Weinhändler reinzuschauen.
Auch bei guten Onlinehändlern wird die Information der idealen Alterungsdauer zum Wein angefügt. Die meisten Weinkritiker veröffentlichen überdies Listen, auf denen man nebst ihrer Bewertung auch die optimale Lagerzeit findet. Es ist ratsam, sich zu merken oder gar zu notieren, wann der gekaufte Wein die optimale Trinkreife erreicht. Und dann eher frühzeitig mal eine erste Flasche öffnen und probieren. Auch Weinauguren verschätzen sich hin und wieder mit ihren Prognosen der optimalen Lagerdauer. Wenn alter Wein gekauft wird, ist es unabdingbar, die Geschichte dieses Weins zu kennen. Wo hat er gelegen? In einem Schaufenster? In einem zu warmen oder zu trockenen Lagerraum? Wurde er oft bewegt? Insbesondere bei Auktionen trifft man Weine an, welche schon mehrfach um den Globus transportiert wurden. Wenn ich also die Herkunft eines älteren Weines bzw. einer Rarität und wie diese gelagert wurde, nicht kenne, Hände weg. Bei Weinen, die jung gekauft werden, stellt sich diese Problematik weniger, weil sie erst kurze Zeit im Verkauf bzw. im Umlauf sind und weil junge Weine durch ihre chemische Struktur viel weniger empfindlich sind als alte Weine. Es ist zudem empfehlenswert, bei der Lagerung auf Klassiker zu setzen, wie z.B.:
- Bordeaux
- Burgund
- Champagne
- Piemont
- Toscana
- Rioja
- Mosel
- Nappa
- Sonoma
- Barossa
- und weitere
Auch in diesen Gebieten werden nicht alle Weine traditionell vinifiziert, und es lohnt sich bei jedem Wein, sich über die richtige Alterungsdauer zu erkundigen.
5. Lagern, aber wie?
In einer optimalen Umgebung gelagerter Wein verfeinert sich kontinuierlich. Viele gut gekelterte Weine, auch solche, die nicht explizit für langjährige Lagerung gemacht sind, verbessern sich innert 1 bis 2 Jahren oft um Klassen. Es lohnt sich also durchaus, den erstandenen Wein eine Weile zu lagern, wenn auch nur z.B. 6 oder 12 Monate, um den echten Wert des Weins dann auch geniessen zu können. Viel zuviel Wein wird vor ‘seiner Zeit’ getrunken – faktisch hat man damit zuviel bezahlt, gemessen am eher enttäuschenden Genusserlebnis.
Wer keinen wirklich guten Weinkeller hat, sollte den Erwerb eines für Weinlagerung geeigneten Weinklimaschranks ins Auge fassen. Den Wein in einem nicht optimalen Raum zu lagern, lohnt sich keinesfalls. Im besten Fall verläuft seine Alterung suboptimal und verfälscht den Geschmack, während im schlechtesten Fall der Wein ungeniessbar wird.
Ein guter Weinkeller bzw. Weinkühlschrank hat folgende Eigenschaften:
- Korrektes Temperaturlevel (10-14°)
- Temperaturstabilität (Weintemperaturschwankung < 1°)
- Saisonale Temperaturschwankung < 2°
- Genügend hohe Luftfeuchtigkeit (ca. 60%, auch in der trockenen Jahreszeit)
- Dunkel bzw. UV-geschützt
- Keine Erschütterungen
- Keine Fremdgerüche
Mehr zur idealen Lagerung von Wein findet sich hier.